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Gottesanbeterin - "Mantis religiosa"

Die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist die einzige in Mitteleuropa vorkommende Vertreterin der Ordnung der

Fangschrecken (Mantodea). In Deutschland ist sie in der Roten Liste der Geradflügler[1] (Rote Liste) in die Kategorie 3

(„gefährdet“) eingruppiert und genießt nach den Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in Verbindung mit der

Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) besonderen Schutz. Deshalb darf sie u. a. weder gefangen noch gehalten werden. Die

Art wurde zum Insekt des Jahres 2017 erklärt. Weibchen können bis zu 75 mm lang werden, die Männchen sind deutlich

kleiner und erreichen eine Länge bis zu 60 mm. Die Grundfärbung reicht von zartgrün bis braun, auf ehemaligen Brandflächen kann man sogar fast schwarzen Individuen begegnen (Feuermelanismus). An der Basis der Innenseite der Vorderhüften befindet sich ein schwarzer, oft weiß gekernter Fleck, der in der Abwehrhaltung als augenähnliche Zeichnung gezeigt wird (Mimikry). Die

unterschiedlichen Färbungsvarianten entstehen nach den einzelnen Häutungen als Anpassung an die Umgebung.

Auffallend sind der verlängerte Halsschild und der große, dreieckige, sehr bewegliche Kopf. Während die beiden hinteren

Beinpaare als Schreitbeine gestaltet sind, sind die Vorderbeine zu Fangbeinen umgebildet. Femur und Tibia sind mit Dornen zum

Festhalten der Beute besetzt. Zwischen den Facettenaugen befinden sich drei Ocellen, die beim Männchen deutlicher ausgebildet sind und als Merkmal zur Geschlechtsunterscheidung herangezogen werden können. Im Mittelmeerraum besiedelt die Gottesanbeterin viele unterschiedliche Lebensräume, in Mitteleuropa ist sie dagegen auf ausgesprochene Wärmeinseln beschränkt. Die Bindung an Wärmegebiete ist bedingt durch ein im Frühjahr notwendiges Beuteangebot für die Larven, die Eier dagegen

können in Steppengebieten auch Winter mit sehr tiefen Minustemperaturen überstehen (letale Temperatur: −43 °C).

Die etwa 6 mm langen Larven schlüpfen im Mai/Juni und durchlaufen bei einigen Populationen fünf bis sechs, bei anderen

dagegen sechs bis sieben Larvenstadien (die geringere Stadienzahl gilt für männliche, die höhere für weibliche Individuen).

Gegen Ende Juli/Anfang August erscheinen die ersten erwachsenen Tiere (Imagines). Etwa 14 Tage nach der Imaginalhäutung

werden die Tiere geschlechtsreif. Wie auch bei anderen Fangschreckenarten kommt es gelegentlich vor, dass das Weibchen von

Mantis religiosa vor, während oder nach der Paarung das Männchen auffrisst. Dies konnte unter anderem durch Freilandstudien

bestätigt werden. Während die Männchen mancher Mantodeen-Arten einen ausgeprägten Balztanz ausführen, um

vom Weibchen nicht als Beute angesehen zu werden, konnte ein derartiges Verhalten bei Mantis religiosa bisher nicht

festgestellt werden.

Einige Tage nach der Begattung schreiten die Weibchen zur Eiablage. Die Eier werden nicht einzeln, sondern immer zu mehreren

in einer sogenannten Oothek abgelegt; dabei handelt es sich um ein Gelege in einer schnell erhärtenden Schaummasse, das in der

Regel 100–200 Eier enthält. Im Herbst verenden die erwachsenen Tiere, während die Eier mit den Embryonen in den durch ihre

spongiöse Schutzhülle ausgezeichnet isolierten Ootheken überwintern. Ursprünglich stammt die Art aus Afrika, hat sich aber in der Alten Welt über den gesamten Mittelmeerraum und große Teile Asiens östlich bis nach Japan und bis zu den großen Sundainseln ausgebreitet. In nord-südlicher Richtung reicht ihr Verbreitungsgebiet vom südlichen Westsibirien bis zum Kap der Guten

Hoffnung. Durch Verschleppung ist sie inzwischen auch in der Neuen Welt vertreten, und zwar in Nordamerika, nämlich in weiten Teilen der östlichen USA und im südlichen Kanada. Sie fehlt – trotz manchen anderslautenden Angaben in

der Literatur – in Südamerika und Australien. Die nördlichsten Vorkommen überschreiten östlich des Ural-Gebirges im

südlichen Westsibirien bei Tscheljabinsk den 54., bei Omsk sogar den 55. Breitengrad und westlich des Urals in Osteuropa den 53. Grad n. Br. In Mitteleuropa reicht die Verbreitung der Gottesanbeterin – abgesehen von lediglich bis zum 51. Breitengrad (südöstliches Polen: Hochfläche von Lublin). Während Mantis religiosa auf der Nordhalbkugel südlich des 46. Breitengrades (46° n. Br.) an geeigneten Örtlichkeiten fast überall vorkommt, ist sie nördlich dieser Linie nur vereinzelt in klimatisch begünstigten Gegenden zu finden. In Deutschland stellt sich die Verbreitung bzw. Funddokumentation wie folgt dar: In Hessen wurde die Art erstmals 1756 in Frankfurt gefunden, konnte aber im 20. Jahrhundert nur zwei Mal dokumentiert werden und galt dann als ausgestorben. Sie ist hier jedoch mittlerweile wieder nachgewiesen, wobei der Nachweis von Ootheken und damit der Hinweis auf Reproduktion fehlte. Aus Bayern sind zwar Fundmeldungen bekannt, diese gelten jedoch als höchst unwahrscheinlich und zweifelhaft. In Rheinland-Pfalz gilt das Vorkommen als gesichert und über Jahre hinweg dokumentiert. Aus dem Saarland gibt es zwar regelmäßig Fundmeldungen, bei diesen handelte es sich allerdings offenbar um gelegentlich aus Lothringen einfliegende Tiere, sodass die Art hier nicht als bodenständig galt. Baden-Württemberg, insbesondere Südbaden, ist das Hauptverbreitungsgebiet der Art in Deutschland. Die Art ist besonders häufig vom Kaiserstuhl bzw. Freiburg und Umgebung, der Oberrheinebene südlich von Freiburg bis Basel und im Glottertal nachgewiesen. Seit 1998 ist auch ein Inselvorkommen im Stadtgebiet von Berlin-Schöneberg bekannt, dessen Individuen sich alljährlich erfolgreich fortpflanzen. Die zahlreichen neueren Fundmeldungen beweisen, dass Mantis religiosa etwa seit Anfang der 1990er Jahre ihr Verbreitungsareal in Mitteleuropa deutlich vergrößert hat und auch weiterhin in allmählicher Ausbreitung begriffen ist.

Eine dreijährige Studie (2011–2014) der Universität Mainz konnte zeigen, dass sich in Deutschland inzwischen zwei stabile

Populationen etablieren konnten. Im Westen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und Saarland

und im Osten in Berlin (s. o.), Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die westliche Population stammt demnach

hauptsächlich aus Frankreich, während die östliche Population aus Tschechien und Zentraleuropa, vermutlich über das Elbetal,

eingewandert ist. Carl von Linné beschrieb die Art bereits 1758 in der als Basis der zoologischen Nomenklatur geltenden zehnten Auflage seiner Systema Naturae als Gryllus (Mantis) religiosus. Etwa ab 1825 etablierte sich der von Linné als Untergattung gewählte Name Mantis auch als Gattungsname. Im Jahr 1873 beschrieb Carl Eduard Adolph Gerstäcker eine besonders große Form aus Ostafrika als Mantis religiosa var. major, die später als erste Unterart anerkannt wurde. Bereits zuvor waren drei Varianten beschrieben

worden, die sich aber alle als identisch mit der Nominatform erwiesen und dieser als Synonyme zugeordnet werden. Erst ab 1930

und hier insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren erfolgten weitere Beschreibungen der bisher insgesamt zwölf Unterarten.

Somit ergibt sich folgende systematische Situation:

Mantis religiosa beybienkoi BAZYLUK, 1960

Mantis religiosa caucasica LINDT, 1974

Mantis religiosa eichleri BAZYLUK, 1960

Mantis religiosa inornata WERNER, 1930

Mantis religiosa langoalata LINDT, 1974

Mantis religiosa latinota LINDT, 1974

Mantis religiosa macedonica KARAMAN, 1961

Mantis religiosa major GERSTAECKER, 1873

Mantis religiosa polonica BAZYLUK, 1960

Mantis religiosa religiosa (LINNAEUS, 1758)

 

 

 

(Syn. = Mantis religiosa radiata FISCHER-WALDHEIM, 1846)

(Syn. = Mantis religiosa sancta FABRICIUS, 1787)

Mantis religiosa siedleckii BAZYLUK, 1960

Mantis religiosa sinica BAZYLUK, 1960

Dialektbezeichnungen sind beispielsweise das Leshanl in der Thermenregion in Niederösterreich, wo auch die Rebsorte

Neuburger, speziell in Pfaffstätten diesen Namen trägt. In Südtirol wird das Tier als Maringgele bezeichnet.

 

 

 

Literatur

P. Detzel & R. Ehrmann: Mantis religiosa LINNAEUS, 1758 – Gottesanbeterin. In: P. Detzel (Hg.): Die

Heuschrecken Baden-Württembergs E. Ulmer, Stuttgart 1998, S. 181–187

Jean-Henri Fabre: Das offenbare Geheimnis. Aus dem Lebenswerk des Insektenforschers zuerst: um 1900.

Wieder: Diogenes, Zürich 1989 ISBN 3-257-21784-6 S. 211–278

Thomas Schestag: Mantisrelikte. Blanchot, Fabre, Paul Celan, Urs Engeler, Basel 1998 ISBN 3-905591-06-5

(über Blanchot: Thomas der Dunkle; Celan: Lichtzwang (mit einigen Gedichten daraus) u. a., z. B. Carl Schmitt,

Schleiermacher, Kafka, Platon & Walter Benjamin)

Hans Przibram: Die Lebensgeschichte der Gottesanbeterinnen (Fang-Heuschrecken) (Sonderdruck aus der

"Zeitschrift für wissenschaftliche Insektenbiologie" (Bd. III [1. Folge Bd. XII]), 1907, Heft 4, p. 117–122 u. Heft 5–

6, 1907, p. 147–152), Selbstverlag des Hg., Berlin 1907

M. K. Berg, C. J. Schwarz, J. E. Mehl (2011): Die Gottesanbeterin, Mantis religiosa. – Die Neue Brehm-Bücherei

656, Verlag Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben, 523 Seiten.

Commons: Europäische Gottesanbeterin (https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Mantis

_religiosa?uselang=de) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Bilder aus dem Leben von Mantis religiosa - Aufnahmen vom Verhalten des Parasiten Mantibaria seefelderiana

bei der Eiablage (http://bkmakro.de/Makro/Mantiden/MR.htm)

Wespe attackiert Gottesanbeterin Mantis religiosa (http://www.hornissenschutz.de/mantis_religiosa.htm)

Videos: Mantis religiosa (https://av.tib.eu/search?q=Mantis+religiosa&loc=de&f=publisher%3Bhttp://av.tib.eu/reso

urce/IWF_%2528G%25C3%25B6ttingen%2529&o=0) herausgegeben vom Institut für den Wissenschaftlichen

Film. Bereitgestellt im AV-Portal (https://av.tib.eu/) der Technischen Informationsbibliothek.

 

 

 

Auszug aus (wikipedia.de)

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